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Die spannende Geschichte des Berliner Stadtschlosses und der Hohenzollerndynastie

Es begann am 8. Juli 1411, als ein gewisser König Siegmund seinen Finanzier und engsten Ratgeber, den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg zum Kurfürsten der Mark Brandenburg ernannte. Bald darauf begann der Hohenzoller aus Franken die regionalen Landesherrschaften der Raubritter zu beseitigen. Er brachte ein in der Mark noch unbekanntes Belagerungsgeschütz mit, genannt "die faule Grete", deren steinerne Kugeln auch die dicksten Burgmauern auf Dauer nicht standhalten konnten und bezwang damit eine Festungsanlage nach der anderen.

Die besiegten Junker, unter denen die Bevölkerung lange gelitten hatte, wurden jedoch weder gehängt oder eingesperrt, sondern im Gegenteil von Friedrich dem Ersten, wie er sich jetzt nannte, zu Stützen seiner Herrschaft gemacht. Räuber und Mörder wurden zu Oberaufsehern, Polizeichefs und Richtern, behielten ihre angemaßte Macht und genossen zudem Steuerfreiheit, wenn sie dem Markgrafen Friedrich bedingungslose Treue schworen. Dieser erhoffte sich dadurch tatkräftige Unterstützung bei der Unterwerfung der märkischen Städte, denen er nach und nach alle alten Rechte und Freiheiten abzunehmen gedachte, um sie dann selbst um so gründlicher ausbeuten zu können.

1442 waren schließlich auch Cölln und Berlin an der Reihe, die als die Widerspenstigsten galten. Sie hatten sich 1432 politisch vereinigt und gehörten dem Kampfbund der Hansestädte gegen Fürstengewalt an.

Friedrich I. hatte sich bereits wieder in seine zivilisierte Fränkische Heimat zurückgezogen und die Herrschaft in der Mark seinem Ältesten, Friedrich II. übertragen. Dieser nutzte die in Folge der Vereinigung Berlin und Cöllns aufgetretenen Spannungen innerhalb der großbürgerlichen Selbstverwaltung als Vorwand, die Doppelstadt am 29. August 1442 mit 600 bewaffneten Reitern zu besetzen. Er erklärte die Vereinigung für aufgehoben und verbot selbstständige Ratswahlen, die Bildung von Bündnissen mit anderen Städten und zwang die Bürger zu geloben: "(...) niemals mehr etwas wider unsere gnädigen Herren, ihre Erben und Nachkommen, die Markgrafen von Brandenburg, zu unternehmen, sondern in ewige Zeiten (...) willige, untertänige und gehorsame Bürger und Untergebene zu sein und bleiben".

Kaum war allerdings der Hohenzoller mit der Mehrzahl seiner Bewaffneten abgezogen, da erklärten die Bürger von Berlin und Cölln die erpresste Aufgabe ihrer Freiheiten für ungültig und verjagten die kurfürstliche Besatzung. Dem verdutzten Kurfürsten wurde das Spandower Tor vor der Nase zugesperrt, woraufhin dieser den Entschluss gefasst haben soll, zwischen den beiden Städten eine beherrschende Burg bauen zu lassen und seine Residenz von Brandenburg nach Berlin/Cölln zu verlegen. Friedrich II. erzwang den Verkauf der Grundstücke, auf denen sich die Berliner Niederlassung der Äbte von Lehnin, ein Wohnhaus und eine Badeanstalt sowie das Anwesen des damaligen Berliner Bürgermeisters Bernd Ryke befanden. Auch Teile der Stadtbefestigung fielen, wodurch der freie Zutritt des Kurfürsten zur Stadt gesichert und diese ihres Schutzes beraubt war.

Gleich nach der Grundsteinlegung 1443 zerstörten aufgebrachte Bürger den Bauplatz des Landesherrn. Die allzu feierliche Grundsteinlegung und das stolze Benehmen der westlichen Gäste führte die zerstrittenen städtischen Gruppierungen wieder zusammen. Kaum jemand ließ sich von den Verlockungen des Kurfürsten, er hätte doch nur ihr Bestes im Sinn, wenn er an der Spree eine prächtige Residenz errichten ließe, beirren. Der Beginn der Bauarbeiten wurde mehrfach verhindert, indem immer wieder Gerüste umgerissen und bereits fertige Mauern abgetragen wurden.

Der Berliner Unwille 1447/48

1447 provozierte Friedrich II. die Bürgerschaft zur Aufruhr, als er versuchte, große Teile des bürgerlichen Grundbesitzes zu annullieren und an sich zu bringen. Die Städte widersetzten sich den Anordnungen und vertrieben die kurfürstlichen Amtsträger. Die kurfürstliche Kanzlei wurde aufgebrochen und ein großer Teil der Urkunden und Amtsbücher zerstört, zerstreut oder entwendet. Auch das Rathaus nahm man wieder in eigene Regie.

Besonders der fortschreitende Bau des Schlosses stellte für viele Bürger eine unerträgliche Provokation dar. Im Januar 1448 besetzte man die Baustelle, vertrieb die fremden Bauleute und versuchte soviel wie möglich des begonnen Rohbaues zu zerstören. Die Lücken in der Stadtbefestigung wurden mit Holzpalisaden und hastig errichteten Mauern. geschlossen. Die Aufständischen öffneten schließlich die Arche - ein Stauwehr im Stadtgraben in Höhe der heutigen Schleusenbrücke - und fluteten dadurch den Bauplatz um die Grundmauern zu unterspülen. Später zog man sich hinter die Stadtmauern zurück.

Der Kurfürst war wegen seines laufenden Krieges gegen Pommern zu einen größeren Truppeneinsatz zunächst nicht in der Lage. Er lud statt dessen den Rat und die Bürger vor das Hofgericht nach Spandau. Die Einwohner von Berlin und Cölln widersetzten sich jedoch. Sie inhaftierten den kurfürstlichen Boten und beantworteten weitere Schreiben nicht. Sie planten sogar einen bewaffneten Aufstand und wandten sich an die anderen märkische Städte und an die Hanse, der Berlin in der Hoffnung auf Unterstützung beigetreten war, um Hilfe. Diese blieb jedoch aus, Berlin und Cölln standen in ihrem Kampf gegen die Vorherrschaft des Landesherren allein. Friedrich hatte es verstanden, durch Drohungen und Versprechen die anderen Städte von ihren Beistandsverpflichtungen abzuhalten. Im Mai 1448 brach der Aufstand unter wachsendem militärischen Druck zusammen.

Schließlich bestätigte das landständische Gericht, das vom Kurfürsten in Spandau zusammengerufen worden war, die erzwungenen Abmachungen von 1442. In Anwesenheit des gesamten brandenburgischen Adels mussten sich Berlin/Cölln dem Landesherrn offiziell unterwerfen. Dennoch zwangen die Geschehnisse den selbstherrlichen Kurfürsten zum Vergleich, er musste auf weitere Beschränkungen der Städtefreiheit und die völlige Aufhebung des Städtebündnisses Berlin/Cöllns verzichten. Doch insgesamt 300 Bürger der Doppelstadt wurden zu hohen Geldstrafen, Gefängnis, Verbannung verurteilt und auch mit dem Tode bestraft, wie etwa der Berliner Bürgermeister Bernd Ryke, die Seele des Aufstandes, der nach seiner Verbannung in Sachsen von kurfürstlichen Rittern ermordet wurde.

 

Friedrich II., nun "Eisenzahn" genannt, ließ noch 1448 den Bau des Schlosses im Eiltempo fortsetzen, drei Jahre später konnte er sein neues Domizil beziehen. Ein neues Stadtwappen wurde erlassen, das den Sieg des brandenburgischen Adlers über den nun auf alle Viere gezwungen Berliner Bären symbolisierte...

Das Schloss wächst und wächst...

Berlin galt fortan als Residenzstadt und der kurfürstlichen Nachfolger, Joachim II., ließ 1537 das damals 86 Jahre alte Schloss gegen ein neues, größeres fast vollständig ersetzen. Als prachtliebender Landesherr wollte er sich eine repräsentativere Residenz erschaffen lassen. Unter Kurfürst Johann Georg wurde von 1578 bis 1595 umfangreich erweitert, u.a. um das Apothekenhaus und einem viergeschossigen Quergebäude vor dem alten Schlosshof. Erst der Dreißigjährige Krieg brachte jegliche Bautätigkeit zum Erliegen. Danach war die Umgebung Berlins vollständig zerstört und auch innerhalb der Stadtmauern lag einiges in Trümmern. Das baufällige Schloss wurde gesichert, instandgesetzt und bis 1690 hier und da ausgebaut.

Erst der Größenwahn des Kurfürsten Friedrich III., der 1701 in seine Selbstkrönung mündete, ließ den Staatshaushalt erneut für eine Schlossbauorgie ausbluten. König Friedrich I., wie er sich fortan nannte, beauftragte seinen Hofbildhauer Andreas Schlüter mit einer radikalen Umgestaltung und Erweiterung im Stil des italienischen Barocks. Orientierte sich der Schlossbaukörper bis dahin entlang des Spreeufers mit einem relativ niedrig umbauten Schlosshof nach Südwesten hin, wurde 1699 bis 1713 der gesamte Platz mit einem riesenhaften Komplex überbaut. Der alte Schlosshof wurde prachtvoll dekoriert und nach seinem Baumeister benannt. Der Rest blieb zunächst im Rohbauzustand, denn bereits 1706 wurde Schlüter von seinem Amt suspendiert und wieder zum Hofbildhauer, weil sein 120 Meter hoher Glockenturm, der alles überragen sollte, kurz vor der Fertigstellung einzustürzen drohte und wieder abgetragen werden musste. Sein Nachfolger Eosander von Göthe führte die Erweiterungen fort, Kernstück seiner Architektur war das Portal gegenüber der Schlossfreiheit im Stil eines römischen Triumphbogens.

Nach dem Tod des selbsternannten ersten Königs von Preußen 1713 erließ sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I., der sog. Soldatenkönig, mit fast militärischer Hand eiserne Sparsamkeit. Das Land war mittlerweile hochverschuldet, fast alle Künstler und Handwerker der Schlossbaustelle wurden entlassen, ebenso der Architekt. Der König beauftragte Martin H. Böhme, die noch offenen Rohbauten des Lustgarten- und Südwestflügels zu schließen und den Bau kostensparend zu beenden. 1716 war das Schloss fertiggestellt, man kann jedoch schwerlich von einem "Schlüterbau" reden, denn Andreas Schlüter wurde 10 Jahre zuvor "gefeuert" und ging 1713 nach St. Petersburg.

Friedrich II. orientierte sich in seiner Bautätigkeit mehr an Potsdam als an Berlin. Für ihn war das Berliner Stadtschloss ein Ort, den er wegen seiner düsteren Strenge und Schwere nur zu den Karnevalsfestlichkeiten im Winter aufsuchte.

Als letzte bedeutende Erweiterung des Stadtschlosses wuchs ab 1845 ein gewaltiger Kuppelbau über das Portal an der Schlossfreiheit, die von Friedrich Wilhelm IV. in Auftrag gegebene Schlosskapelle. Er geht auf eine frühe Planung von Karl Friedrich Schinkel zurück, der am Schloss selbst nur wenige Bauaufgaben erledigte. Der Kuppelbau wurde im März 1848, genau 400 Jahre nach dem Berliner Unwillen, durch die revolutionären Kämpfe für einige Zeit unterbrochen. Man hatte gehört, dass die Aufständischen planten, die Holzkonstruktion des Kuppelbaues in Brand zu setzen. In Berlin war der Schlossplatz Ausgangspunkt der schweren Kämpfe des 18. März, nachdem Wilhelm I. befohlen hatte, die friedliche Massenversammlung vor dem Schlossportal mit Waffengewalt auseinander zu treiben.

Wilhelm II. ließ sich nach Amtsantritt 1888 zunächst eine Wohnung über die gesamten 200 Meter der Lustgartenfront ausbauen. Vom Balkon dieser Wohnung im 1.Stock rief er 1914 zum 1.Weltkrieg auf, vier Jahre später verkündete Karl Liebknecht von dort aus die sozialistische Republik. Wilhelm II. ordnete auch den Bau eines gewaltigen Denkmals für seinen Vater Wilhelm und dessen bornierte Gewaltpolitik an, wofür 1903 die gesamte Häuserzeile der Schlossfreiheit abgerissen wurde. Die haushohe Reiterstatue erzeugte in Korrespondenz mit dem gegenüber liegenden Triumphbogen des Schlossportals eine dem despotischen Herrschergeist adäquaten Monumentalität.

Nach dem Ende der Monarchie

Erst mit dem späten Abgang der preußischen Monarchie 1918 wurde der Schlossplatz in seiner Nutzung wieder diskutabel. Karl Liebknecht verkündete vom Schloss aus, dass nun das Volk Eigentümer des Riesenbaues sei. Die Konterrevolution drängte jedoch auf die Räumung des von Revolutionären besetzten Schlosses und ließ es Heiligabend 1918, als mit wenig Unterstützung von außen zu rechnen war, mit Granaten beschießen.

Von 1921 an waren Teile des Schlosses Kunstgewerbemuseum, das sog. "Schlossmuseum". Darüber hinaus hatte das Schloss keine größere Bedeutung mehr, es wurde wegen seiner barriereartigen Größe sogar über einen Teilabriss nachgedacht. Nach 1933 wurde der Lustgarten ein wichtiger Aufmarschplatz der Nazis. 1936 brannte anlässlich der Eröffnung der Olympischen Spiele vor der Lustgartenterrasse des Schlosses das olympische Feuer inmitten eines Fahnenwaldes. Über die Nutzung des Schlosses im Nationalsozialismus schweigen sich die Geschichtsbücher aus, Hitler soll es nicht einmal betreten haben. Nach der weltweiten Kriegskatastrophe endete die Existenz Preußens 1947, auch das Schloss lag in Trümmern. Es war fast komplett ausgebrannt und nur wenige der 500 Räume waren noch nutzbar.

Das Schloss verschwindet

Im Ostsektor Berlins entschied man sich für den Erhalt des Domes und den Abbruch der Schlossruine - beides Hohenzollerngebäude. Eine Welle der Entrüstung schallte von Westen her, jedoch ohne Einflussmöglichkeiten. 1949 wurde "der Kaiser" vom Pferd des Nationaldenkmals gehoben und dieses bis auf den Sockel beseitigt, 1950 folgte die Sprengung des Schlosses. Die Berliner Unwille hatte einen späten Sieg errungen.

Quellen: Bernd Maether: Die Vernichtung des Berliner Stadtschlosses; Jahrbuch des Landesarchivs 1994, Peter Neumeister: Persönlichkeiten des "Berliner Unwillens"- die Familie Reiche; Bernt Engelmann: Berlin-eine Stadt wie keine andere; Landesarchiv Berlin; Heinz Graffunder und Martin Beerbaum: Der Palast der Republik; Eckard Müller-Mertens: Berlin im Mittelalter; Dietmar und Ingmar Arnold: Schlossfreiheit; Nad Nadolski: Das Bild des Staates auf der Spreeinsel Berlin


 

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