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Aufruf zum Berliner Unwillen - kein Schlossneubau!

Die Kommission "Historische Mitte Berlin" hat sich mit knapper Mehrheit für einen Schloss-Nachbau mit historisierenden Fassaden ausgesprochen. Am 17. April hat sie ihren Abschlußbericht feierlich "der Politik" übergeben. Diese könnte jetzt das Schloss beschließen und sich dabei auf eine Expertenempfehlung berufen - von einer "Expertenrunde", die so zusammengesetzt war, dass eine Schloss-Mehrheit vorprogrammiert war. Ein fauler Zauber, der die Schlossplatzdebatte beenden soll, bevor sie angefangen hat, auf Grundlage der veränderten Realitäten konkret zu werden.

Die Umsetzung eines Schlossnachbaues hätte neben dem erheblichen Einsatz von Steuermitteln und einer höchst umstrittenen Symbolwirkung zur Folge, dass

  • die Spreeinsel zukünftig durch die barriereartige Größe des Schlossnachbaues zerteilt wäre,
  • der Palast der Republik, obwohl er bei ähnlicher Nutzfläche einen vorteilhafteren Freiraum erzeugt, abgerissen würde,
  • im Volkspark Friedrichshain umfangreiche Grabungen nach Schlossresten stattfinden würden,
  • der Neptunbrunnen von seinem günstigen Platz vor dem Fernsehturm an die Einmündung Breite Strasse verlegt würde,
  • das Schlossportal im Staatsratsgebäude wahrscheinlich entfernt würde,
  • mit der Gebäudezeile "Schlossfreiheit" wieder ein Stück Berliner Flussufer verbaut wäre,
  • bei einer Ansiedlung der Zentralbibliothek die Nutzer ohne U-Bahnanschluss auf den Schlossplatz "gezwungen" würden,

Bereits das erste Bauvorhaben auf diesem Grundstück führte zu heftigen Auseinandersetzungen - dem Berliner Unwillen von 1447/48:

Die Bevölkerung Berlin/Cöllns fürchtete damals um ihre relative Eigenständigkeit. Illegale Aneignungen durch den Kurfürsten Friedrich II. führten dazu, dass sein Richter verhaftet und aus seiner Kanzlei Urkunden, welche die Hoheitsrechte des Kurfürsten stützen konnten, entwendet oder vernichtet wurden. Der Höhepunkt des Berliner Unwillens war die Baustellenbesetzung im Jahre 1447, als die Ausmaße der Hohenzollernresidenz sichtbar wurden. Man vertrieb die Bauleute, umschloss das begonnene Gebäude mit einem Blockzaun und setzte es durch Aufziehen der Schleusen in den Stadtgräben unter Wasser. Kurfürst Friedrich II. sah sich einer Kraftprobe mit den Bürgern Berlins ausgesetzt. Vermittlungsversuche anderer Städte der Mark scheiterten, die Besetzung wurde mit Gewalt beendet. Friedrich II. wandte sich an das Gericht zu Spandau, das daraufhin 300 Berliner Bürger wegen ihrer Unbotmäßigkeit gegenüber dem Fürsten mit hohen Geldstrafen, Verbannung, Gefängnis und dem Tod bestrafte. Die städtischen Freiheiten waren aufgehoben und die Stadt gezwungen, sich für immer den Hohenzollern zu unterwerfen. Der Bau wurde im Eiltempo fortgesetzt und der Rohbau noch 1448 vollendet. 1451 konnte Friedrich II sein neues Domizil beziehen. (aus: Graffunde/Beerbaum: Der Palast der Republik)

Obwohl heute vieles anders ist, wollen auch wir an die Geschichte anknüpfen und mit dem Begriff des Berliner Unwillens an den Mut der Bürger Berlin/Cöllns erinnern. Auch daran, dass das Stadtschloss stets als zu groß empfunden wurde und das Machtzentrum des ungeliebten preußischen Militärstaates verkörperte.

Sobald der gegenwärtige "Zwang zum Schloss" wegfiele, gäbe es viele interessante Möglichkeiten, den Platz zukünftig zu nutzen. Ein uneingeschränkter Ideenwettbewerb könnte diese ermitteln und eine solide Grundlage einer tatsächlich demokratischen Entscheidungsfindung sein. Das eine bauliche Lösung auf dem Berliner Schlossplatz die gesamte Republik symbolisch darstellen müsste, könnte als ebenso unnötig wie historisch überholt angesehen werden. Bis dahin sollte der Palast der Republik selbstverständlich zwischengenutzt werden.

Für einen allgegenwärtigen Berliner Unwillen!



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